Der Tod im Strandkorb
Der Tod im Strandkorb war zufrieden. Für diese Woche hatte er seinen Job getan und nun döste er in seinem blau-weiß-gestreiften Strand-Refugium in der prallen Mittagssonne. Am Anfang der Woche war ein Surfer gut zwei Kilometer vor der Küste ertrunken, ein kniffeliger Job, zu dem er lange und zähe Verhandlungen mit den Winden hatte führen müssen. Heute Morgen hatte dann eine Vierundachtigjährige auf ihrem Weg zum Strand einen Herzschlag erlitten, was weniger kompliziert war, bei der Hitze und dem Tempo, das die alte Dame zu Lebzeiten an den Tag zu legen pflegte. Den Rest der Woche hatte er also nichts weiter zu tun, als seine Knochen zu bleichen und ab und an mit den Zehen zuwippen. Nachdem er gut eine halbe Stunde vor sich hin gedöst hatte, formierte
sich vor ihm am Wasser eine Gruppe Surfer mit ihrem Brettern. Eine kleine, finstere Wolke verdunkelte das Gemüt des Todes. Er mochte diese braungebrannten, wohlgelaunten jungen Männer nicht. Sie führten immer einen Gruppe Mädchen bei sich. Sein Erfolg bei Frauen, blass und dünn wie er war, war ausgesprochen bescheiden. Und generell sorgte sein Erscheinen seltenst für wohlgefallen. Der Tod hatte diesbezüglich also ein gewisses Defizit zu verzeichnen. Ja, am liebsten würde er täglich einen dieser Bräunlinge auf den Meeresgrund versenken, aber der Chef hatte ihm - was das betraf - in langen Worten einen unmissverständlichen Vortrag gehalten. Das also schied aus. »Aber«, dachte der Tod, »wenn ich nur weit genug draußen über die Wellen gleiten könnte, so würde man meine klapprige Gestalt nicht recht erkennen. Ich könnte ein paar ungewöhnliche Kunststücke erproben und die Mädchen würden, ja, müssten mich bewundern.« Eigentlich verstand der Tod die Frauen sowieso nicht recht. »Wer ist hier eigentlich der coole Typ, der die letztendlichen Entscheidungen fällt?«, dachte er einen Moment lang. Bis ihm einfiel, dass das ja nicht er, sondern der Chef war. Der Tod seufzte. Nun gut, es sollte also sein. In der Nacht betrat der Tod mit einem Sargdeckel unter dem einen, und einem Leichentuch-Segel unter dem anderen Arm den Strand. Der Mond verfolgte interessiert das Geschehen, und blinzelte zuweilen ein bisschen, da er seine Sonnenbrille vergessen hatte. Mutig schwang sich der Tod auf den Sargdeckel und landete auf der Stelle im Wasser.



»Höhö«, machte der Mond. »Lach nur«, dachte der Tod. »Immer noch besser als so abzuhängen.« Eine gute Stunde verging, in der der Tod erfolglos weiter übte. Zu allem Überdruss hatte der Mond eine SMS an alle Winde verschickt, welche herbeieilten, um ihre Späße zu treiben. Er war gerade kurz davor aufzugeben, als er eine kleine Meerjungfrau auf einem Felsen erblickte. Der Tod mochte Meerjungfrauen nicht sehr; sie waren unberechenbar und manchmal retteten sie einen Surfer vor dem ertrinken. Als er ihren Blick erwiderte, stieß diese ins Wasser und tauchte neben seinem Sargdeckel wieder auf. »Verpisst euch!«, zischte sie den Winden zu, die maulend von dannen zogen. »Wir machen es so«, begann die Meerjungfrau, »tu das Segel weg und ich werde dich ziehen. Alles, was du dann noch tun musst, ist, dich auf dem Brett zu halten.« DerTod musterte sie skeptisch. »Na, nun mach schon«, ermunterte ihn die Meerjungfrau und nach einer weiteren Stunde hielt sich der Tod fest auf dem Brett. Von da an begann sie, kleine Kunststücke mit ihm zu vollführen indem sie das Brett kreuz und quer leitete und es mit ihrem Schwanz aus dem Wasser stieß, so dass das Brett sich überschlug und der Tod die tollsten Drehungen vollführte. Sie übten bis zum Morgengrauen. »Jetzt braucht es nur noch Geduld«, sagte die Meerjungfrau.

Am nächsten windfreien Tag - der aufgrund der Eingeschnapptheit der Winde erst drei Tage später sein sollte - sahen die staunenden Strandbesucher am Horizont eine weiße Gestalt auf einem Surfbrett, die wie von Zauberhand durch das Wasser glitt. Und die Mädchen kamen und staunten und der Tod fühlte sich wie ein Held, auch wenn dasvielleicht ein klein wenig geschummelt war.

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